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Justiz Neustadt/Aisch startet Rechtsbildung für Flüchtlinge

"Einig sein. Recht achten. Freiheit leben. So funktioniert der deutsche Rechtsstaat." Justiz Neustadt/Aisch startet Rechtsbildung für Flüchtlinge


„Rechtsbildung für Flüchtlinge und Asylbewerber“ steht in einem Klassenzimmer der Staatlichen Berufsschule auf dem Programm. Frau Dr. Sina Stenglein und Lieselotte Prosch Richterinnen am Amtsgericht in Neustadt/Aisch sind an diesem Morgen gekommen, um die erste Unterrichtsstunde zu halten. "So funktioniert der deutsche Rechtsstaat“, stellen die beiden Juristinnen die zentralen Informationen mit einer Präsentationen anschaulich dar. 40 minderjährige männliche Asylbewerber, zumeist aus Syrien, Afghanistan und Eritrea, hören konzentriert zu. 

 

Neu - Rechtsbildungsunterricht für Flüchtlinge

Die bayerische Justiz möchte mit ihrem Projekt "Rechtsbildung von Flüchtlingen und Asylbewerbern" einen wichtigen Beitrag zur Integration von Menschen mit hoher Bleibeperspektive leisten. „Bisher ist das alles noch Neuland“, sagte Frau Dr. Sina Stenglein. Das Unterrichtskonzept haben die beiden Richterinnen ganz auf die jugendlichen Flüchtlinge abgestellt. Frau Prosch hatte im Vorfeld die Klassen im Deutschunterricht besucht. Sie zeigte sich dabei überrascht von den Sprachkenntnissen der Minderjährigen und entschied sich kurzer Hand für die Rechtskunde auf Dolmetscher zu verzichten. Losgelöst von Juristensprache informierten sie auf verständliche Art und Weise über Recht und Gesetz. Es geht auch darum, dass der Rechtsstaat nichts Abstraktes ist, sondern dass er aus Menschen besteht, die da sind und sich kümmern“, so die Richterinnen.„Als Schule nutzen wir die Unterstützung der Justiz sehr gern“, betonte stellv. Schulleiter Michael Görs beim Auftakt des Rechtsbildungsunterrichts für Flüchtlinge im Landgerichtsbezirk Neustadt/Aisch. „Die Rechtskunde der Justiz ist ein sinnvoller Baustein zur Integration unserer unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlinge in die Gesellschaft. Echte Integration kann nur gelingen, wenn die Menschen, die zu uns gekommen sind, unsere Grundregeln und gemeinsamen Werte unseres Zusammenlebens und unserer Rechtsordnung kennen, respektieren und sich mit ihnen identifizieren. Je besser dies gelingt, umso besser für das Leben der Flüchtlinge und auch für unsere Gesellschaft in Deutschland. “ 

 

Grundwerte leben

Anhand einiger einfacher Beispiele mit anschaulichen Bildern und einfacher Sprache vermittelte Familienrichterin Lieselotte Prosch den Flüchtlingen Grundwerte unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Eindringlich wurde betont: „Die Gesetze stehen über allem – insbesondere über Ehre, Familientradition, Religion und Sitte und Moral. Daran müssen sich alle halten“.  

Mit einfachen Beispielen und Fragen - Was bedeutet das für das tägliche Leben in Deutschland?                 

Abstrakte Begriffe wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit wurden mit einer ganz praktischen Übung verbunden. Obay und Kubrom fühlten, wie sie es erleben, wenn man Ihnen zu nahe kommt. „Frauen zu nahe zu treten ist absolut daneben, das geht nicht.“ Jede Frau in Deutschland habe das Recht wie auch immer gekleidet hinzugehen, wo sie will und nicht angetatscht zu werden, so Richterin Lieselotte Prosch. „Vielleicht haben Sie seit Ihrer Ankunft schon Kontakt zu Polizistinnen und Ärztinnen gehabt?“ Das ist in Deutschland selbstverständlich. Frauen und Männer sind gleichberechtigt – sowohl im Beruf als auch in der Familie. Das heißt: Alle erhalten den gleichen Respekt und die gleiche Anerkennung. Deutschland ist ein Land der Freiheit. Jeder darf seine Meinung frei äußern, solange er damit nicht gegen die Gesetze verstößt, etwa weil er zu Hass und Gewalt aufruft, oder Menschen persönlich beleidigt. Das ist die Meinungsfreiheit. „Wer von Ihnen hat eine Schwester?“ Die meisten melden sich. „Was würden Sie tun, wenn Ihre Schwester sagt: „Ich heirate einen anderen Mann, vielleicht einen Christen?“ Wäre das ein Problem?“ Murmeln im Raum, ein paar sagen nein, andere aber auch ja. Uns ist ganz wichtig: Wir haben hier in Deutschland Freiheiten, die jedem zustehen. Zwangsheirat ist verboten. Das ist eine Straftat. Frauen haben alle Rechte und Chancen. Das gilt auch für Religionen. Christen, Juden und Moslems leben gleichberechtigt nebeneinander und miteinander. Religionsfreiheit ist ein wichtiges Prinzip.„Was passiert, wenn diese Freiheiten verletzt werden? Wenn man glaubt, dass man Schaden oder Unrecht erlitten hat?“

Dann gilt: Nur der Staat mit Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten darf Straftaten verfolgen und Täter verurteilen – das ist das Gewaltmonopol des Staates. Sich selbst oder andere zu rächen oder Gewalt auszuüben, ist verboten und wird bestraft.Frau Dr. Stenglein informierte im Weiteren über die Arbeit der Gerichte. „Die Polizei muss jeder Straftat nachgehen, egal, wie reich der Täter ist oder welche Religion er hat.“ Recht sprechen ausschließlich staatliche Gerichte, also zum Beispiel nicht selbst ernannte Friedensrichter oder Geistliche – denn Religion und Staat sind in Deutschland getrennt. Wichtig zu wissen ist, dass man der Polizei, den Staatsanwaltschaften und Gerichten absolut vertrauen kann. Sie sind nicht bestechlich und haben die geltenden Gesetze anzuwenden. Und tun das auch! Justiz ist für die Menschen da. 

 

Frau Dr. Sina Stenglein beim Rechtsbildungsunterricht in der Berufsschule Neustadt/Aisch. Die Richterin vertiefte die strafrechtlichen Auswirkungen von Belästigungen und Übergriffen. Beim Thema „Zwangsheirat“ gab es noch Erklärungsbedarf. Die Rolle der Frau wird in den kommenden Stunden sicherlich weiter angesprochen werden. Die Lehrkräfte begleiteten ihre „Jungs“ deshalb zum Rechtskundeunterricht, um offene Fragen später klären zu können.   

 

Die Klassensprecher ließen zum Dank Blumen sprechen. Ayub Dustokel (rechts) und Abdusalam Mohamed links, bedankten sich mit Frühlingsblumen bei den beiden Richterinnen am Amtsgericht in Neustadt/Aisch Dr. Sina Stenglein und Lieselotte Prosch.
                         

Für die jungen Flüchtlinge aus dem Landkreis sei jetzt in ihrem Leben auch Frühling. Sie seien froh, dass man ihnen lernt, was Recht und Gesetz in Deutschland ist. „Wir alle Schüler sind sehr froh, dass es dieses Recht gibt. In unserer Heimat in Afghanistan, in Eritrea und in Syrien gibt es wenig Rechte. Es gibt kein Grundgesetz, das uns schützt. Aber ohne Recht kannst du nicht leben. Deshalb sind wir nach Deutschland geflüchtet. Wir bedanken uns dass, Sie uns helfen das Grundgesetz und alle Regeln schnell zu lernen.“  Der Kurs dauerte zwei Stunden und umfasste die beiden Module Demokratie mit Grundrechten sowie das Strafrecht.Beim Besuch einer Gerichtsverhandlung soll das Thema Strafrecht vertieft werden. Der Rechtsbildungsunterricht ist eine bayernweite Initiative mit rund 800 Freiwilligen aus der Justiz, die die Kurse leiten. Die beiden Richterinnen hoffen, dass das Projekt auch im Landkreis gut angenommen wird.